Welche Motive bewegen Ehrenamtliche bei Multisport-Großveranstaltungen als Volunteer einzusteigen? Warum haben wir bei dieser Sonderform der Freiwilligenarbeit so einen guten Zulauf? Warum kommt das nicht beim Sportverein an der Ecke an, fragt sich D3Smedia-Geschäftsführer Daniel R. Schmidt.
Gerade bin ich von den Special Olympics World Games in Berlin zurückgekehrt und war von der großen Einsatzbereitschaft der dortigen Volunteers äußerst beeindruckt. Auf eine Veranstaltung mit 6.500 Athlet*innen kamen satte 18.000 Volunteers aus 126 Ländern.
Auch wir im Volleyball-Venue haben von dem großen Teamgeist und der Engagementfreude der Volunteers profitiert. Ob als Ballroller*innen und Wischer*innen, ob als Schreiberasssistent*innen oder als Wegeführer*innen im sogenannten Staging (= die Mannschaften wurden in der Warm-up-Halle gemäß ihrer Partieren vorbereitet und dann gemeinsam an den Court geführt) oder Arbeitskräfte im infrastrukturellen Einsatz oder am Court: Die Freiwilligen waren omnipräsent und haben den Großteil der Arbeitslast des Wettbewerbs getragen.
Im begleitenden V-Log zu meinem Einsatz bei den Special Olympics World Games habe ich daraus geschlossen, dass Berlin in diesem Aspekt für eine mögliche Olympiabewerbung gut aufgestellt sei. Der Enthusiasmus für Multisport-Großveranstaltungen sei auf jeden Fall bei den Hauptstädter*innen spürbar. Mag das auch in dieser Momentbetrachtung stimmen, so ist das auf ganz Sportdeutschland gebrochen natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn an der Basis fehlen reihenweise ehrenamtliche Kräfte, wohin das Auge schaut. Dabei ist es gleich, ob man den Bedarf von Übungsleiter*innen, Trainer*innen und Betreuern betrachtet, oder den von ehrenamtlich geführten Führungspositionen.
Rückblick. Die mit neun Sportarten und insgesamt 12 Disziplinen angereicherten European Championships in München letzten Jahres waren als Multisportevent ebenfalls gut mit Volunteers und Ehrenamtlichen bestückt. 6.000 Helfer*innen kamen hier auf 4.700 Athlet*innen. Der unmittelbare Vergleich zu den Special Olympics World Games dürfte hinken, weil bei letzteren ja nicht nur sportliche Wettkämpfe, sondern auch beispielsweise die Gesundheitsinitiative „Healthy Athletes“ sowie begleitende Kongresse und Festivals mit Helfer*innen zu bestücken waren. Nichtsdestoweniger drängt sich die Frage auf, warum punktuelle Großevents weniger Schwierigkeiten haben, Ehrenamtliche zu binden, als der Sportverein um die Ecke.
Ein Erklärungsansatz dürfte sein, dass der zeitlich genau befristete Einsatz lockender sein könnte, als die unbefristete Bindung an ein Ehrenamt. Ein weiterer Ansatz könnte sein, dass Volunteers ein gewisses Eventniveau erwarten, um in die Bereitschaft zum Engagement zu rutschen. Auch das Erlebnisbedürfnis wird wohl eine Rolle spielen.
Insofern kann hier die Frage gestellt werden, ob wir nicht auch in der Freiwilligenarbeit eine gewisse Eventisierung feststellen. Benötigen Ehrenamtliche heute das Gefühl, mittels starker Emotionen an ein sportliches Ereignis gebunden zu werden? Anders gesagt: reicht es nicht mehr nur, Teil eines sportlichen Ereignisses zu sein, sondern muss man für Volunteers die große Show auffahren? Müssen wir das Ehrenamt eventisieren?
Die Wahrheit mag wie so oft irgendwo dazwischen liegen. Mit Sicherheit gab es unter den Volunteers beider Veranstaltungen echte Philanthropen. Aber ob das die Mehrheit war, kann und darf angezweifelt werden.
Die Frage bietet Raum für sportwissenschaftliche Forschung. Bis dahin tun sich Vereins- und Verbandsmanager*innen gut daran, zu reflektieren, ob eine (An-) Reizvertiefung für Ehrenamtliche nicht sinnig ist. Nicht umsonst kreieren viele Organisationen im Sport Ehrenamtsevents.