Es ist für Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehres in Deutschland nicht einfach. Denn das Sentiment, das solchen Institutionen traditionell entgegenschlägt, ist alles andere als positiv. Manchmal sorgt umgekehrt aber auch die eigene externe Kommunikation für eine negative Grundstimmung gegenüber der Zielgruppe und es täte gut, mal das eigene, gedankliche Stellwerk zu verlassen.
Dieser Blogeintrag basiert auf einer Konsumentenerfahrung des D3Smedia-Geschäftsführers Daniel R. Schmidt.
Verkehrsgesellschaften und -verbünde haben in den sozialen Medien keinen leichten Stand. Den Frust von abertausenden Kunden über Verspätungen, Ausfälle, Sauberkeit und schlechten Service abzubekommen, ist alles andere als eine einfache Aufgabe. Dazu sollen noch eigene Botschaften und ein eigener Stil kommuniziert werden. Jede Institution aus diesem Bereich macht sich hierzu eigene Gedanken, entwickelt eine Stil- und Imagevorstellung und geht mit einer entsprechenden Strategie in die Social-Media-Arbeit.
Als einer der Leuchtturmstrategen mit dem überzeugendsten Renommee in diesem Wirtschaftszweig dürfte die Kommunikationsabteilung der Berliner Verkehrsbetriebe BVG mit ihrer Kampagne „Weil wir dich lieben“ gelten. Selbstkritisch, ironisch, humorvoll und authentisch — die Motive, Slogans, Texte basieren auf einer Leichtigkeit, mit der man das alltägliche Berliner ÖPNV-Drama bestens ertragen kann.
Aber unsere Bahnen rührt ihr nicht an, Freundchen!
— Weil wir dich lieben (@BVG_Kampagne) October 8, 2022
Ausfälle schaffen wir schon noch alleine. https://t.co/VjaRKbBD07
Natürlich funktioniert dieser Ansatz nur bei der BVG gut. Andere Institutionen suchen nach ihrem eigenen Weg. Und das ist auch gut so. Als autoloser Kunde des ÖPNV in Frankfurt am Main habe ich mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund zu tun, kurz RMV, einer der größten Verkehrsverbünde Deutschlands.
Dabei kommuniziere ich zumeist per Kurznachrichtenplattform Twitter mit ihm. Dort verfügt das als GmbH organisierte Unternehmen über gleich zwei Twitteraccounts: @RMVinfo und @RMVdialog. Während @RMVinfo vormerklich ein Pushfeed mit aktuellen Verkehrsmeldungen darstellt, soll bereits das Userhandle @RMVdialog suggerieren, dass man hier mit dem Verkehrsverbund in Austausch treten soll. Begrüßt wird man auf dem Profil mit dem Hinweis der „Dialogzeiten“ – sowohl im Header, als auch Profiltext. Ein Hinweis, der wohl „typisch deutsch“ ist, aber soweit erst einmal nichts Ungewöhnliches bei Verkehrsverbünden oder -gesellschaften darstellt.

Und dennoch bekomme ich als Konsument regelmäßig „Puls“, wenn ich @RMVdialog in meiner Timeline begegne oder gar mit ihm interagieren muss. Es scheint, als bin ich irgendwann als Privatmensch mit diesem Unternehmen in eine Privatfehde geraten. Schön ist das nicht und ich wünschte, es wäre anders. Dennoch gibt es dafür eine Erklärung. Wechseln wir dafür wieder von meiner emotionalen, persönlichen Ebene auf eine sachliche, kommunikative Ebene.
Der Grund für mein gestörtes Verhältnis zum RMV ist die mangelhafte Auseinandersetzung mit den Kunden, die mit einem fehlenden Gespür für Situationen einhergeht. Dafür möchte ich ein Beispiel ins Land führen.
Vorab ein wichtiger Hinweis, der in diesem Kontext wichtig ist. Im Profiltext meines Handles – Sie wissen vielleicht, dass ich auch eine sportjournalistische Rolle einnehme – stand zum Zeitpunkt des gleich folgenden Austauschs „Journalist, Sprecher, Moderator — private Meinung hier“.

Als ich am Donnerstag, den 3. November 2022 in der S-Bahn von Wiesbaden nach Frankfurt saß, reflektierte ich, warum so viele Menschen auf dieser Strecke eher das Auto bevorzugen. Die Antwort ist schnell gefunden: vom Frankfurter Nordwesten und dem Sitz von D3Smedia zum Wiesbadener Hauptbahnhof fährt man über die Bundesautobahn 66 in etwa 35 Minuten. Mit der S-Bahn sind es von der Frankfurter Innenstadt (also Zubringer herausgerechnet) etwa 50 Minuten, vorausgesetzt, alles ist pünktlich. Man kann also durchaus sagen, dass in einigen Ecken Frankfurts die Fahrt mit dem Nahverkehr doppelt so lang braucht wie mit einem Pkw. Mit diesen Gedanken habe ich den folgenden Tweet abgesetzt:
Hallo @RMVdialog, warum kriegen wir in Rhein-Main eigentlich keinen Expresszug zwischen den Big-4 hin? Route: Wiesbaden Hbf. - Frankfurt Süd- Offenbach Hbf.- Hanau Hbf.? Ohne viel Stops und Bullshit zwischendurch.
— Daniel R. Schmidt (@DanielRSchmidt) November 3, 2022
Nach neun Minuten folgte die Antwort von @rmvdialog, aus die sich folgender Thread entwickelt:

Sie werden sich jetzt mit Sicherheit fragen, warum ich und andere User so dünnhäutig auf diese Antwort des RMV reagiert haben. Zunächst griff der Social-Media-Redakteur in der Interpretation der Kommunikationssituation kräftig daneben. Ausgehend davon, dass es sich hier um eine „Presseanfrage“ handele, lenkte er den Dialog recht früh aufs Abstellgleis. Ganz ehrlich: welcher seriöse Journalist würde eine „Presseanfrage“ so formulieren?
Weiten wir die Perspektive ein wenig, da es sich lohnt, zu betrachten, wie der @RMVDialog sonst kommuniziert. Bei der Sentiment-Untersuchung der RMV-Antworten ist auffällig, dass der Verkehrsverbund häufig Verantwortlichkeiten von sich weist. Dies gerne, ohne den vermeintlich korrekten Player in die Interaktion zu bringen. Insofern spielen gerade die zwei Worte „nicht zuständig“ hier eine große Rolle. Sie sind sogar schon fast zum Meme in der Rhein-Main-Community geworden.
Perfekt, damit ist @RMVdialog wie bei fast allem „nicht zuständig“ 🙄
— Dabbes326 (@dabbes326) September 9, 2022
- Wenn Sie nicht zuständig sind, involvieren Sie den Partner, der zuständig ist. Zeigen Sie, dass Sie verstanden haben, dass ein soziales Netzwerk sozial ist und auf Interaktion basiert.
- Geben Sie dem Kunden das, was er hören will. Sie können die Information nicht geben? „Ich kümmere mich darum…“ / „Ich leite das weiter und melde mich!“ sind Phrasen, die dem Kunden gegenüber Wärme ausstrahlen und dem Vorgang Wichtigkeit verleihen.
- Fehlende Offenheit und gelebtes Misstrauen gegenüber ihrer Kunden wird immer schlecht aufgenommen und kostet Reputation. Versetzen Sie sich doch einmal in den Kunden! Wie wird das, was Sie gerade abschicken wollen, wohl bei Ihrem Kunden angekommen?
Ich gehe davon aus, dass die Damen und Herren vom „Dialogteam“ beim RMV sehr gerne öfter etwas anderes schreiben würden – wenn sie es denn dürften. Die ständige „nicht-Zuständigkeit“ sehe ich als einziges Mittel, diverse Anfragen abzuwehren. Das ginge sicherlich auch anders, aber so häufig wie das vorkommt, erscheint es mir eher als Absicht, als verordnete top-down Strategie. Da gibt es im Rhein-Main Gebiet auch noch andere Organisationen, die nicht das reinschreiben dürfen was sie wollen, weil ein Vorgesetzter das verhindert. Glaube das ist der Unterschied zur BVG, wo eh alles nur mit Ironie ertragen werden kann. Insofern erwarte ich da auch nichts mehr.
Natürlich super schade und überflüssig. Nach all den Jahren Social Media immer noch solche Reaktionen mitbekommen zu müssen.
Aber: Ihr könnt das gerne auch beim nächsten Webmontag auf der Bühne ausdiskutieren, falls gewünscht. Es ist ja im Interesse aller RMV-Kunden. Vielleicht wird sich jemand beim RMV finden, der dafür zuständig ist. Zum 96. wmfra in 2014 hatten wir schon Mal einen Herren vom RMV auf der Bühne, der etwas zur Mobilitätsplattform erzählt hatte. Es kann ja eigentlich nur besser werden.
Lieben Dank für Deine Perspektive! Das bringt uns zu der Frage, ob man dann „social media ready“ ist, wenn man generell eine Abwehrstrategie fährt. 😉 Das wäre mit Sicherheit ein äußerst spannendes Thema für einen Webmontag. Setzt aber voraus, dass der RMV sich meiner Kritik stellen wollen würde.
Liebe Grüße
Daniel