In der Sportwelt sind Nationalhymnen fest in der Tradition verankert. Sie begleiten große Momente, sei es bei internationalen Turnieren, olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Doch in den letzten Jahren hat sich ein Trend entwickelt, der hierzulande immer häufiger zu beobachten ist: gerade Deutsche Nachwuchs-Athlet:innen legen beim Abspielen der Hymne die Hand auf das Herz. Doch ist das angemessen?
Die Sonne schimmert über dem Strand, als ich die Sieger:innen einer nationalen Beach-Volleyball-Meisterschaft im Nachwuchsbereich zur Siegerehrung rufe. Ich staune nicht schlecht, als gleich zwei der geehrten Athlet:innen beim Abspielen der ersten Takte der Nationalhymne die Hand auf ihre Brust legen. Diese „Hand-am-Herz“-Geste, die ihren Ursprung in den USA hat, ist eine kulturelle Eigenheit, die in Deutschland historisch und symbolisch keinen Platz hat.
Die Wurzeln der Hand-auf-die-Brust-Geste
Das Handauflegen auf die Brust während der Hymne ist in den Vereinigten Staaten tief verankert. Dort symbolisiert die Geste Patriotismus und den Respekt gegenüber der US-amerikanischen Nation. In den USA hat sie eine lange Tradition und ist eng mit dem dortigen sehr offensichtlich gelebten Nationalstolz und dem nationalen Selbstverständnis verbunden. Auch in anderen Ländern, wie z. B. Brasilien, ist diese Geste üblich.
In Deutschland hingegen ist dieser Brauch nicht Teil der Kultur und hat keine historische Verankerung. Tatsächlich ist die deutsche Haltung gegenüber patriotischen Symbolen, besonders aufgrund der deutschen Geschichte, sehr differenziert und oftmals zurückhaltender. Das hat auch damit zu tun, dass öffentliche Bekundungen von Nationalstolz im deutschen Kontext aufgrund der NS-Vergangenheit dunkle Parallelen wecken.
Warum die Geste nicht nachgeahmt werden sollte
Gerade im Nachwuchsbereich stelle ich fest, dass sich immer mehr (Kader-) Athlet:innen diese amerikanische Geste aneignen – vermutlich inspiriert durch Fernsehübertragungen internationaler Events. Doch es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass jede Kultur ihre eigenen Traditionen und Ausdrucksweisen hat, und dies auch in Momenten der Ehrung einer oder mehrerer Nationen berücksichtigt werden sollte. Und auch jedes Land hat Verhaltens-„no-gos“ und die eben geschilderte Geste ist im deutschen Kontext eine davon.
Der richtige Umgang mit der deutschen Hymne
Was aber ist das korrekte Verhalten für deutsche Athlet:innen bei internationalen Wettkämpfen, wenn die eigene Hymne gespielt wird?
Hier einige Empfehlungen:
1. Die korrekte Kleidung
Die vom entsprechenden Sportverband vorgegebene Kleidung ist zu tragen – und zwar entsprechend repräsentativ und sauber. Bei der Ansage des Arenensprechers/der Arenensprecherin, dass das Abspielen der Hymne erfolgt, sind etwaige Kopfbedeckungen – außer ein religiöses Erfordernis besteht – abzusetzen. Kappen, Hüte oder Kopftücher werden in der Hand behalten und können nach dem Ende des Spielens der Hymne(n) wieder aufgesetzt werden.
2. Haltung und Körpersprache
Ein aufrechter Stand oder eine aufrechte Sitzposition für Rollstuhlfahrende mit den Armen locker an der Seite oder (im Falle des Stehens) hinter dem Rücken verschränkt, ist die traditionell korrekte Haltung. Diese vermittelt Ruhe, eine dem Anlass angemessene Würde und zeigt Respekt.
3. Augenkontakt und Blickrichtung
Während der Hymne sollte der Blick nach vorne gerichtet sein, auf die Fahne oder in Richtung des Publikums. Dies zeigt Aufmerksamkeit und Respekt. Fehlt ein Orientierungspunkt, kann die Ausrichtung auch gemäß der Wettkampfleiter:innen/Schiedsrichter:innen erfolgen. Diese sind für die richtige Ausrichtung zumeist geschult.
4. Kein übermäßiger Patriotismus
In Deutschland drückt man Patriotismus eher durch Taten als durch symbolische Gesten aus. Es ist völlig in Ordnung, Emotionen nach dem Abspielen der Hymne(n) zu zeigen – aber Gesten, wie das Handauflegen auf die Brust, sollte aus den oben geschilderten Gründen vermieden werden.
5. Singen der Hymne
Das Mitsingen der Hymne ist optional, aber wenn Athlet:innen mitsingen möchten, sollten sie dies tun, ohne dabei übertriebenen Eifer zu zeigen. Authentizität steht hier im Vordergrund.
Warum der kulturelle Kontext zählt
In der heutigen globalisierten Welt, in der wir ständig Einflüsse aus anderen Kulturen aufnehmen, ist es wichtig, sich seiner eigenen angemessenen Traditionen und historischen Hintergründe bewusst zu sein. Indem deutsche Athlet:innen die zurückhaltendere, respektvolle Haltung gegenüber der Nationalhymne bewahren, zeigen sie nicht nur Respekt vor ihrem Land, sondern auch ein Bewusstsein für den historischen und kulturellen Kontext, in dem sie sich bewegen.
Fazit
Sport ist eine Bühne, auf der Nationen und Athlet:innen gleichermaßen repräsentiert werden. Doch gerade auf dieser Bühne sollten wir uns daran erinnern, dass jede Geste, jede Haltung eine Bedeutung hat. Deutschen Athlet:innen fordert dies aufgrund der dunklen NS-Geschichte unseres Landes eine besondere Verantwortung ab, sich angemessen und respektvoll auch gegenüber anderen Nationen zu verhalten.