Das Fachforum Diversity 2024 des DOSB in Leipzig brachte Expert:innen zusammen, um zentrale Fragen der Diversität im Sport zu diskutieren. Von intersektionalem Arbeiten bis hin zu konkreten Maßnahmen zur Förderung von Frauen, Queers und Menschen mit Behinderungen: Der Sport steht vor großen Herausforderungen – und ebenso großen Chancen.
Vom 12. bis 14. September 2024 fand in Leipzig das Fachforum Diversity des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) statt. Die Veranstaltung brachte Stimmen aus Sportvereinen, Landessportbünden und Sportverbänden zusammen, um die aktuellen Herausforderungen und Chancen rund um das Thema Diversität im Sport zu diskutieren. Mit einem klaren Fokus auf intersektionales Arbeiten und die Förderung von Chancengleichheit in den Strukturen des Sports bot das Forum tiefe Einblicke in die Fortschritte und anstehenden Aufgaben. D3Smedia- und SPOTENZIAL-Macher Daniel R. Schmidt war vor Ort und wirft einen Blick zurück auf die wichtigsten Erkenntnisse. Dabei sieht er fünf Kernentwicklungen, die für die Zukunft des organisierten Sports entscheidend werden könnten.
1. Awareness als zukünftiger, integraler Bestandteil des Sports
Das Fachforum startete mit einer klaren Botschaft: Bewusstsein für Vielfalt ist der erste Schritt, um diskriminierungsfreie Räume im Sport zu schaffen. Unter der Leitung von Sabrina Rahimi, rassismuskritische Trainerin und Mediatorin, wurde ein Awareness-Team eingesetzt, dass sicherstellte, dass sich jede:r Teilnehmende gehört fühlen konnte. Ein „Code of Conduct“ als Verhaltenskodex setzte zudem den Rahmen für ein möglichst diskriminierungsfreies Miteinander. Diese Maßnahmen zeigten auf, dass mit klarer Haltung Diversität nicht nur in den Köpfen sondern auch im Handeln verankert werden kann.
Rahimi betonte: „Wir sind alle Lernende, wenn es um Diversität geht.“ Diese Aussage verdeutlicht, dass der Prozess der Inklusion im Sport ein kontinuierlicher ist. Der Schlüssel liegt darin, Schutzräume zu schaffen, in denen Menschen ihre Identität frei ausdrücken können, ohne Diskriminierung zu befürchten. Awareness-Anlaufstellen könnten hier ein Türöffner sein, auch bei Wettkampfveranstaltungen im Sport.
2. Intersektionales Arbeiten als Erfolgsfaktor
Janis McDavis hielt eine inspirierende Keynote über die Bedeutung intersektionalen Arbeitens. Seine Thesen machten klar, dass nur durch die Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen von Vielfalt – von Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit bis hin zu sexueller Orientierung und Behinderung – eine nachhaltige Veränderung erreicht werden kann.
„Diverse Teams sind erfolgreicher und krisenfester“, sagte McDavis. Studien zeigen, dass die freie Wirtschaft jährlich Milliardenverluste hinnehmen muss, weil Potenziale durch Ausgrenzung vernichtet werden. Diese Einsicht lässt sich auf den Sport übertragen: Vereine und Verbände, die es versäumen, Vielfalt zu fördern, riskieren, wichtige Talente und Mitglieder zu verlieren.
3. Vielfalt wird zunehmend Überlebensfaktor des Sportsystems
Die Eröffnungsrede von Peggy Bellmann, Leiterin des DOSB-Ressorts Diversity, zeigte auf, dass Frauen und Menschen mit Behinderung im organisierten Sport noch immer stark unterrepräsentiert sind. Nur 43 % der Mitglieder im DOSB sind Frauen, und in Führungspositionen fällt dieser Wert auf gerade einmal 24 %. Ähnlich alarmierend sind die Zahlen bei Menschen mit Behinderung, von denen lediglich 8,3 % in Sportvereinen vertreten sind.
Klar im gesellschaftlichen Wandel ist die Repräsentanz von LGBTQA*. Während sich nur 2% der Boomer-Generation (1946-1964) zu dieser sexuellen Identität bekennen, sind es bei der Gen Z (1995-2012) bereits 12%.
Bellmann stellte die provokative, aber notwendige Frage: „Was passiert, wenn der Sport die Vielfalt der Gesellschaft nicht abbildet?“ Ihre Antwort: Es drohen Mitgliederschwund, weniger Ehrenamtliche und ein Verlust der gesellschaftlichen Relevanz.
4. Barrieren abbauen – die Rolle von Workshops und Sensibilisierungsmaßnahmen
In verschiedenen Workshops wurden konkrete Ansätze erarbeitet, wie der Sport Vielfalt besser inkludieren kann. Ein besonderes Highlight war der Workshop „Awareness-Beauftragte: How to be aware“, der aufzeigte, dass es nicht nur um Schutz, sondern auch um die Schaffung von Räumen geht, in denen Menschen sich frei ausdrücken können. Sichtbarkeit ist dabei entscheidend, doch es wurde auch diskutiert, wie Sprache und Strukturen, wie z. B. die Bezeichnung „Awareness“, selbst zu Barrieren werden können.
Ein weiterer wichtiger Workshop befasste sich mit der Queer-Sensibilisierung im Sport. Es wurde klar, dass Veranwortliche, aber auch Schiedsrichter und Wettkampfleiter geschult werden müssen, um sichere Räume für alle Geschlechter zu gewährleisten. Dabei helfen Modelle wie die „Genderbread Person“ und die „Gender Unicorn“, um geschlechtliche Vielfalt zu verstehen und anzuerkennen.
5. Ehrenamt und Vielfalt – mehr als nur eine Herausforderung
Ehrenamtliches Engagement bildet das Rückgrat des organisierten Sports, doch auch hier gibt es Herausforderungen, wenn es um Diversität geht. Der Workshop „Diversitätssensibles Freiwilligenmanagement“ betonte die Notwendigkeit, Tätigkeitsprofile klar zu definieren und Geschlechterklischees abzubauen. Besondere Ansätze, wie das Arbeiten in Tandems oder kreative Formate wie kommunale Speeddatings, zeigten, wie Ehrenamt für alle Menschen, unabhängig von Behinderungen oder Migrationshintergrund, zugänglich gemacht werden kann.
Es wurde betont, dass das Ehrenamt ein Privileg sei und man es sich leisten können muss – sowohl zeitlich als auch finanziell. Als mögliche Instrumente zum Erfolg können das Zeigen von Willkommenskultur gelten, genauso wie die Schaffung einer Anpassungsbereitschaft des eigenen Vereins sowie der Abbau auf Berührungsängsten auf beiden Seiten. Ein wichtiger Punkt war zudem die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung im Ehrenamt.
Fazit
Das Fachforum Diversity 2024 in Leipzig hat eindrucksvoll gezeigt, dass der Sport noch viel Potenzial hat, um inklusiver und vielfältiger zu werden. Gleichzeitig sind die Herausforderungen, vor denen Vereine und Verbände stehen, nicht zu unterschätzen. Wenn der Sport jedoch in der Lage ist, die Vielfalt der Gesellschaft in seinen Strukturen abzubilden, kann er seine Position als größte zivilgesellschaftliche Organisation Deutschlands stärken und zukunftsfähig bleiben.